Kurze Nutzungsgeschichte des Schwäbischen Donaumooses

Historisches

Knochenfunde aus der Altsteinzeit vor ca. 80.000 Jahren bis hin zu jungsteinzeitlichen Funden der Bandkeramiker-Kultur (erste Spuren von Ackerbau und Viehzucht) vor ca. 6.000 Jahren deuten an, dass das Donaumoos nur als Jagdgebiet genutzt wurde (Flinspach et al. 1997, Kraft 1993). In der Würm-Kaltzeit (115.000 – 10.000 v. heute) nach dem Zurückweichen der Gletscher war hier eine spätglaziale Steppenlandschaft mit Rentier- und Wildpferdherden. Auch Siedlungsspuren aus römischer und alemannischer Zeit finden sich nur außerhalb des eigentlichen Donaumooses (vgl. Auer 1963, Kraft 1993) und das blieb bis heute so.

Die landwirtschaftliche Erschließung erfolgte Anfang des 19. Jahrhunderts im Vergleich zu anderen Moorgebieten relativ spät (Flinspach et al. 1997). Doch wurde dann in wenigen Jahrzehnten ein ausgedehntes Grabennetz zur Entwässerung angelegt und ausgebaut, in Baden-Württemberg beginnend etwa mit der Donaukorrektion 1806-71, in Bayern besonders intensiv nach Inbetriebnahme der Grundwasser-Förderung durch den Zweckverband Landeswasserversorgung Stuttgart anno 1917 (Assmann 1995, Landeswasserversorgung Stuttgart 2012). Die Niedermoor-Randbereiche dienten noch bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts während Niedrigwasserperioden zur Streugewinnung und als Viehweide (Ortlieb 1997) und im Zentralbereich wurde bis in die 1960er Jahre lediglich Brenntorf gestochen (Flinspach et al. 1997). Andere Nutzungen waren wegen der hohen Wasserstände nicht möglich.

Die Brenntorfgewinnung war in der waldarmen Niederung wichtig zur Sicherung des Bedarfs an Heizmaterial (Ortlieb 1997 und schriftl. Mitt.): Die Stadt Leipheim nutzte beispielsweise den Torf als Brennmaterial für ihre Baulichkeiten und Familien erhielten je nach ihrem Kinderreichtum ein halbes oder ein ganzes „Torfteil“ à ca. 4 x 6m, das ca. 25.000 - 30.000 Stück Torfziegel ergab. Diese Menge reichte für einen Winter.
Das Torfstechen begann traditionell am 1.5. des Jahres und dauerte nur wenige Tage. Zuerst musste die obere Humusschicht abgeräumt werden, danach kam dann eine etwas schwammigere Brauntorfschicht, bevor aus dem begehrten Schwarztorf, dem nässesten Teil des Moores die wertvolleren „Torfziegel“ gestochen werden konnten. Es gab berufsmäßige Torfstecher, die gegen Ende der Torfgewinnungszeit etwa 3,50 DM/1000 Stck. erhielten. Verglichen mit einem Arbeiter-Stundenlohn von damals etwa 2,70 DM, war dies eine gute Entlohnung. Gute Torfstecher schafften es auf einen Tagesverdienst von etwa 45 DM, allerdings war dies ein echter „Knochenjob“: Mückengeplagt, ständig gebückte Haltung und ca. 13.000mal Heben der Schaufel, um das Torfstück nach oben heraus zu werfen – Gesamtgewicht weit über 3 Tonnen!.
Die Torfstücke wurden in einiger Entfernung zum Torfstich in Gruppen kreuzweise zum Trocknen „aufgebockt“ und über den Sommer meist etwa alle 3 Wochen „umgebockt“ werden. Bis Mitte April des Folgejahres mussten alle Torfbrocken eingeholt worden sein.
Bis in die 1930er Jahre wurden im Leipheimer Moos jährlich 4 bis 5 Millionen Stück Torf gestochen, das waren zwischen ca. 500 bis 1.000 Tonnen (Ortlieb schriftl. Mitt.). „Langenau aktuell“ schreibt am 10.6.1999: In Asselfingen endete das Torfstechen anno 1969. Ende des 19. Jahrhunderts wurden für Langenau 3,8 Millionen (ca. 950 t), für Asselfingen 3 Millionen (ca. 750 t) und für Rammingen 1 Million Torfziegel (ca. 250 t) als durchschnittlicher Jahresertrag vermerkt.

Anthropogene Eingriffe der Neuzeit

Die verschiedenen Eingriffe in den Wasserhaushalt (Donaukorrektion, Entwässerungsgrabennetz, Kiesabbau und Trinkwasserförderung) verursachen zusammen mit ihren Folgenutzungen wie intensive Landwirtschaft und Freizeitnutzung die gravierendsten Veränderungen in den Lebensräumen. Der ehemalig weit gefächert mäandrierende Wildfluss Donau ist heute eine Kette von Stauseen entlang eines stark verkürzten Flusslaufes (Baumhauer & Raab 2012, Köhler 2012). Begünstigt durch die Grundwasserabsenkung wurde die forstliche Nutzung der Auwälder intensiviert und zunehmender Kiesabbau schluckte weitere naturnahe Standorte (Ehrhardt 1995, Baumhauer & Raab 2012).
Aus den unter dem Niedermoor liegenden Kiesschichten werden heute im baden-württembergischen Gebietsteil jährlich ca. 35 Mio m³ Grundwasser zur Trinkwasserversorgung großer Teile Baden-Württembergs entnommen (Zweckverband Landeswasserversorgung 2012). Im Zuge der dadurch trockeneren Verhältnisse, gestützt durch den Ausbau von Entwässerungsgräben, eroberten Ackerkulturen die noch vor 50 Jahren als Schafweide genutzten Moorflächen. Die z. T. metertiefen Trockenrisse im Torfkörper, die vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auftraten (Hartel 1952, Schuch 1995), verdeutlichen die Schwere der Eingriffe für den gesamten Naturhaushalt mit Folgen wie Mineralisierung des Torfes mit Torfschwund und Eutrophierung, Moorsackung und Staubstürmen. Und doch wurden noch in den 1960er Jahren Gräben zur Steigerung der Entwässerung bis in die Kiesschicht hinein vertieft (Dobler et al. 1977, Schuch 1995).
Nach Ausbeutung der Lagerstätten in der Auwaldstufe entstanden große Kiesabbau-Gebiete im Niedermoor (Haber et al. 1983). Dort wurde dadurch natürlich der Torfkörper entfernt und die Wasserflächen entwässern lokal das Moor. Die Beunruhigung der Lebensräume im Moor setzt sich nach dem Abbau durch die häufige Folgenutzung als Freizeit- und Erholungszentren fort (Mäck 1995a).

Die Haupt-Gefährdung des Gebietes besteht also in der massiven Grundwasserabsenkung. Die niedermoortypische Flora und Fauna wird durch die Folgen (Mineralisierung mit Schwund und völlige Austrocknung des Torfkörpers) verdrängt. Weiter bedroht sind die moortypischen Wiesenbrütergebiete aber nicht nur durch die zunehmende Ackernutzung, sondern auch durch den Rückgang der Milchviehwirtschaft, da vermehrt Feuchtwiesen aus der Nutzung fallen und verbrachen. Verbleibende Betriebe geben aus Rentabilitätsgründen artenschutzfachlich interessante Nutzungen wie z. B. die tägliche Grünfutter-Gewinnung zugunsten von Ganzjahres-Silage auf. In den letzten Jahren haben sich zudem viele Landwirte in und um das Schwäbische Donaumoos auf Biogas-Erzeugung spezialisiert. Wo früher Wiesen das Landschaftsbild prägte, dominiert heute großflächiger Maisanbau: Seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden fast 2000 ha Grünland in Ackerland verwandelt, ein Rückgang der Wiesen um mehr als 60% in nur hundert Jahren (Mäck 2012a).

Ab Mitte des 20. Jahrhunderts wurden die letzten naturnahen Teilräume als Landschafts- und Naturschutzgebiete ausgewiesen. Nach Meldung und Anerkennung der Auwälder und Niedermoore als Feuchtgebiet internationaler Bedeutung "Donau-Auen und -moos" nach der sog. „Ramsar-Konvention“ im Jahr 1976 wurden mittlerweile zusammenhängend über 140 km² als EU-NATURA-2000-Gebiete bestätigt, d. h. entweder als Europäisches Vogelschutzgebiet gemäß der Richtlinie 79/409/EWG (EU-VSchRL) oder als "FFH-Gebiet" gemäß der Richtlinie 92/43/EWG ("Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie"). Doch die Ausweisung der Schutzgebiete löste die Probleme des Niedermoor-Lebensraumes nicht bzw. konnte die Gefährdungsursachen nicht beseitigen (Ehrhardt 1995, Mäck & Ehrhardt 2012).
Die Schutzgebiete dienen aber jetzt als Keimzellen zur Initiierung neuer Entwicklungen (Mäck 1995b, Mäck 2012b): In den Naturschutzgebieten „Langenauer Ried“, „Leipheimer Moos“ und „Gundelfinger Moos“ blieb der Charakter der weithin offenen Feuchtwiesen-Landschaft im Gegensatz zum übrigen Donaumoos weitgehend erhalten. Nur hier findet sich heute noch in Resten das ehemals großflächig gebietsprägende Mosaik aus Torfstichen, Gebüschinseln, Streu- und Futterwiesen (Ehrhardt 1995, Ehrhardt 2012, Mäck 2003a, b).
Der Gesamtraum ist ländlich geprägt, siedlungsarm und gehört zu den großen, von Verkehrswegen und Siedlungen wenig zerschnittenen Räumen in Deutschland (BayLfU 1999).
Das trägt entscheidend zum besonderen Reiz und ökologischen Wert bei, obwohl ausserhalb der Schutzgebiete vor allem die intensive landwirtschaftliche Nutzung und der Kiesabbau die Landschaft prägt.


aus Mäck, U., 2014: Das Schwäbische Donaumoos - Geschichte eines Niedermoores. S. 173 - 189. In: Fassl, P. & O. Kettemann (Hrsg.): Mensch und Moor - Zur Geschichte der Moornutzung in Bayern. Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung. Kronburg-Illerbeuren, 487 S.

Entwicklung der Grünlandflächen von der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis Anfang der 2010er Jahre auf dem Niedermoor im Schwäbischen Donaumoos