Wie kam es zum Projekt?

Beschreibung

Im Nordwesten von Günzburg befindet sich der 68 ha große Mooswald. In den 1960er Jahren wurden Flächen in einem Umfang von 25 Hektar als Ausgleichsflächen mit Fichten aufgeforstet. Bereits zu Beginn der 90er Jahre zeichnete sich eine Trendwende ab: die Arten- und Biotopausstattung nahm nicht nur im Donaumoos rasant ab, fortan galt es, die Interessen und Zielkonflikte von Landwirtschaft, Wasserwirtschaft, Rohstoffabbau und Naturschutz zu entflechten. Das Wiedervernässungsprojekt der ARGE Donaumoos, gegründet mit dem Ziel das Kerngebiet des schwäbischen Donaumooses zu erhalten und den Torfschwund zu stoppen, die Rückkehr des Bibers und verschiedene Sturmereignisse boten v.a. für den mit Fichten bestockten Bereich des Mooswaldes keine günstigen Zukunftsprognosen.
Die „ökologische Umwandlung des Mooswaldes“ unter Auszug der Fichte mit einem Nutzungsverzicht von Seiten der Stadt Günzburg wurde als Gemeinschaftsprojekt entwickelt. Unter der Federführung des AELF in Kooperation mit der höheren Naturschutzbehörde, der ARGE Donaumoos und der Stadt Günzburg wurde das Entwicklungsziel „feuchter bis nasser Naturschutzwald mit lichten Waldstrukturen und hoher ökologischer Wertigkeit“ erarbeitet. Der bestehende Fichtenbestand wurde soweit als möglich entnommen und verwertet. Als Initialpflanzung wurden Moorbirken und Erlen, mit dem Ziel der Etablierung eines Erlenbruchwaldes ausgebracht. Mit Abschluss der Pflanzung wurde das gesamte Waldgebiet sich selbst überlassen und soll künftig in das Wiedervernässungsprojekt im Leipheimer Moos integriert werden.

Der Günzburger Mooswald liegt vollständig im Landschaftsschutzgebiet „Leipheimer und Günzbur-ger Moos“ (LSG-00288.01), ausgewiesen seit dem 07.07.1977, und im EU-Vogelschutzgebiet „Schwäbisches Donaumoos“ (7427-471). Der nördliche Teil des heutigen Waldkomplexes ist als Naturschutzgebiet „Leipheimer Moos“ (NSG-00425.01) ausgewiesen und gehört zum FFH-Gebiet „Leipheimer Moos“ (7527-371). Gemäß einem Beschluss des Günzburger Stadtrates im Februar 2022 soll das Naturschutzgebiet um die gesamte Fläche des Günzburger Mooswaldes erweitert werden, nicht zuletzt, um die hohe ökologische Wertigkeit der Gebietsentwicklung zu unterstreichen.
Entstanden ist mittlerweile ein sehr vielfältiges Waldgebiet, das ein sehr hohes Potenzial für die Tier- und Pflanzenwelt bietet. Bezieht man die umliegenden Moos- und Grünlandflächen mit ein, so ist ein ideales Brut- und Rastgebiet für die Vogelwelt entstanden. Zur Weiterentwicklung soll das Waldgebiet in die optimierte Wiedervernässung des Leipheimer Mooses einbezogen werden.

Der städtische Mooswald hat sich bereits nach 10 Jahren zu einer naturschutzfachlich extrem wertvollen Lebensgemeinschaft mit biologischer Vielfalt entwickelt. Vogelarten wie Pirol, Baumpieper und Bekassine werden bei der jährlichen Brutvogelkartierung durch die Ornithologische Arbeitsgruppe des Schwäbischen Donaumooses nachgewiesen. Außerdem wurden in einem Fachgutachten zu Totholzkäfern 2018 insgesamt 38 Arten der Roten Liste gefährdeter Tiere Deutschlands 2011 und der Roten Liste Bayerns 2003 festgestellt. Darunter Urwaldreliktarten aus der Familie der Stutz- und Schimmelkäfer, Teretrius fabricii und Cryptophagus confusus, als erste Wiederfunde in Bayern seit 1972 und 1934. Um die weitere Artenentwicklung zu dokumentieren ist ein umfassendes Monitoring geplant. Mit Spannung wird die weitere Entwicklung auch vor dem Hintergrund des Klimawandels erwartet.

Durch die Aufforstungen in Mitteleuropa entstanden durch Menschen entwickelte Wälder als Kul-turlandschaft. Sie entsprechen nicht den natürlicherweise vorkommenden Baumartenzusammen-setzungen und -mischungen, die potenzielle natürliche Vegetation (in Wäldern als Regionalwald beschrieben) fehlt auf breiter Fläche. Außerdem ist mit menschlichem Bestreben immer eine ge-netische, meist phänotypisch ausgewählte, Selektierung des Erbgutes verbunden. Die mit dem Klimawandel einhergehenden rapiden Änderungen der Witterungsbedingungen führen von Menschen gemachte Wälder an Ihre Grenzen. Geringe genetische Varianz innerhalb einer Baumart und wenig Mischung in den Baumarten bringen großflächig Probleme in der Anpassung an den Klimawandel. Für die Zukunft ist die Forstwirtschaft bestrebt, auf kleinräumliche Standortbedingungen einzugehen und den Regionalwald und zukünftigen Regionalwald (bei weiterem Temperaturanstieg) mit der natürlichen Baumartenzusammensetzung in der Fläche einzubringen. Des Weiteren wird dem Naturschutz viel mehr Rechnung getragen. Anpflanzungen spezifisch für naturschutz-fachliche Aspekte im Wald bringen zusätzlich eine Veränderung der Waldstruktur. In diesem Sinne ist der „Mooswald“ ein sehr gutes Beispiel für den sich im Klimawandel befindlichen Wald.

Beteiligte, Partner, Unterstützer

Die ökologische Umwandlung des Mooswaldes unter Entfernung der Fichte, Neuanpflanzung v.a. von Erle in Kombination mit einem Nutzungsverzicht von Seiten der Stadt Günzburg wurde zu ei-nem Naturschutzprojekt.
Die Stadt Günzburg (GZ) als Flächeneigentümer ist Träger des Projektes.
Für den Waldumbau übernahm das örtlich zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Fors-ten (AELF) in Kooperation mit der Höheren und Unteren Naturschutzbehörde (HNB und UNB GZ) die Projektkoordination.
Die Regierung von Schwaben (RvS) stellte die finanziellen Mittel zur Verfügung, um die wirtschaftli-che Nutzung des Waldes von der Stadt Günzburg abzugelten.
Mit dem Wertausgleich geht die Verpflichtung der Stadt einher, auf geeigneten Flächen im donau-nahen Auwaldband einen ökologisch vorbildlich genutzten Wald aufzubauen. Die praktische Aus-führung erfolgt durch den Stadtförster in naturschutzfachlicher Begleitung der ARGE Donaumoos als ortsansässigem Landschaftspflegeverband und der UNB GZ.

Die zukünftige Betreuung und anfallende Pflegemaßnahmen werden in Kooperation vom Städtischen Forstamt und der ARGE Donaumoos durchgeführt. Für Kartierungen der Biodiversität wird eine Kooperation mit den umliegenden Universitäten Augsburg und Ulm angestrebt. Eine Disserta-tion zum Thema Waldumbau und Wasserverbrauch ausgewählter Feuchtgebietsarten wurden bereits 2003 an der Uni Ulm gefertigt, sowie 2011 eine Abschlussarbeit an der FH Weihenstephan zur Planung eines Umweltinformationspfades im Mooswald und 2018 eine Untersuchung der Zusammensetzung des Torfkörpers von Studenten der Uni Augsburg.

Öffentlichkeit

Der Günzburger Mooswald wird der Öffentlichkeit aktuell durch den EU-LIFE-Erlebnisweg Mooswaldsee erlebbar gemacht. Der bisher ausgeschilderte Weg führt durch den Mooswald zum westlich angrenzenden Mooswaldsee zum Beobachtungsturm: Hier überblickt man in alle Richtun-gen die Landschaft und nimmt ein Mosaik aus Siedlungsbereichen, intensiver Landwirtschaft, ex-tensiv beweideten Wiesenflächen, das vernässte Leipheimer Moos und den Mooswald wahr. In einer Bobachtungshütte im östlichen Bereich sind stille Beobachtungen von Wildtieren und der Natur am Rande des Mooswaldes möglich. Ziel dieser Beobachtungsstellen ist, den besonderen Lebensraum Bruchwald erlebbar und somit seine hohe Bedeutung hautnah erfahrbar zu machen. Ergänzend werden seit einigen Jahren mehrfach im Jahr Führungen durch den Mooswald von der ARGE Donaumoos für die Bevölkerung angeboten.
Mit der Ausweisung des Mooswaldes als NSG soll mit der entstehenden Wegepflicht zudem die Schaffung von Ruhezonen erleichtert werden. Das Verlassen der Wege ist in dem sensiblen Öko-system dann nicht mehr gestattet. Mit einem gezielten Wegekonzept sollen die Besucher gelenkt werden. Dazu sind weitere Informationsmaßnahmen zur Unterstützung geplant, nicht zuletzt, um das Projekt auf regionaler und überregionaler Ebene in den Fokus zu rücken. Wichtig ist in dem stark frequentierten Naherholungsgebiet vor den Toren der Stadt Günzburg das Bewusstsein und die Wahrnehmbarkeit von Naturschutzthemen zu transportieren. Mit visuellen Mitteln in Form von Infotafeln kann den Besuchern das Zusammenspiel von nassen Mooren im Landschaftshaushalt, Klima- und Artenschutz und standortangepasste Landbewirtschaftung vermittelt werden.